Der Musikverein Mimmenhausen wird im Jahr 2022 sein 200-jähriges Bestehen feiern. Das nehmen wir zum Anlass, euch die bewegende Geschichte von der Gründung als "türkische Kapelle" bis heute zu erzählen.
Diese Männer, die sich damals zusammentaten, müssen nicht nur musikbegabt und musikbegeistert gewesen sein, sondern auch Idealisten im wahrsten Sinne des Wortes. Eine solche Gemeinschaft kann nur bestehen und gedeihen, wenn sich immer und immer wieder Männer und Frauen zur Verfügung stellen, die nicht nur die Musik, sondern die Kameradschaft und das Gemeinwohl voranstellen. Die Musikkapelle ging in gewisser Weise aus der einstigen “Wehrmacht” des Klosters Salem hervor. So sei denn im folgenden auf einige geschichtliche Begebenheiten hingewiesen, die damit in ursächlichem Zusammenhang stehen. Es mag zunächst verwundern, dass das Kloster Salem eine eigene Streitmacht unterhielt. Ein Blick in die Geschichte und die Entwicklung des Klosters sind jedoch geeignet, diese Tatsache zu klären. Schon drei Jahre nach der Gründung (1137) wurde das Kloster Salmansweiler zur Abtei erhoben. Mächtige Gönner verhalfen dem Kloster rasch zu hohem Ansehen. Neben dem eigentlichen Stifter, Ritter Guntram von Adelsreute, steht als einflussreicher Pate der Erzbischof Eberhard II. von Salzburg. Seine Gabe war eine Salzgrube bei Hallein und die Übernahme des Klosters in Schutz und Schirm seines Erzstiftes. Vom Jahre 1142 datiert die Erhebung des Klosters zu einem Königlichen Stift durch König Konrad. Kaiser Karl IV. verlieh der Abteil 1348 das Recht der freien Vogtwahl und der freien Gerichtsbarkeit. Schließlich führte der Prälat den klingenden Titel “Abt und Herr des Königlich-eximiert und befreiten Heiligen Römischen Reichs-Stifts und Münster Salmansweiler”. Als Freies Reichsstift hatte Salem die Verpflichtung, dem Kaiser Söldner zu stellen und die entsprechenden Abgaben an die Staatskasse zu entrichten. Die geschichtliche Entwicklung hat es mit sich gebracht, dass an die Stelle ursprünglichen Heerbanns der Freien ein Söldnerheer getreten war, zu dem die einzelnen Reichsstände und Reichskreise ihre Kontingente zu stellen hatten. Zum Schwäbischen Kreis, einem der zehn Reichskreise, zählte auch das Salemer Gebiet. Nach der Wormser Reichsmatrikel hatte die Abtei Salem zu stellen:
Herzog zu Württemberg: | Bischof zu Konstanz: |
30 Reisige | 7 Reisige |
277 Fußknechte | 30 Fußknechte |
300 Gulden | 60 Gulden |
Abtei Weingarten: | Graf zu Fürstenberg: |
4 Reisige | 12 Reisige |
18 Fußknechte | 54 Fußknechte |
50 Gulden | 79 Gulden |
Der Standort der Salemer Truppen war im 18. Jahrhundert in Mimmenhausen angesiedelt. Gleich am Ortseingang von Stefansfeld her stand die Kaserne, die um das Jahr 1720 erbaut wurde. Zuvor waren die Soldaten verstreut in einzelnen Bürgerhäusern untergebracht gewesen. Handwerker aller Art siedelten sich um die Kaserne an, um den Bedarf des Klosters und der Militärausrüstung zu decken. Die Salemer Musketiere trugen "weiße, schwarze und rote Montur", die Farben des hl. Bernhard. Sie führten zwei Fahnen, die eine "weiß und rot taffet", die andere mit dem burgundischen Kreuz geschmückt. Auch das Salemer Militär-Kontingent entbehrte nicht der musikalischen Beigabe. Morgens ertönte die “Reveille” und abends der Zapfenstreich. Bei der großen Prozession anlässlich der Reliquien-Dankfeier 1737 – Abt Constantin hatte von Rom Reliquien von den Heiligen Felix und Faustina erhalten – trat das Militär wie folgt in dem Prozessionsprogramm auf:
Nr. 4-15 die 1. Compagnie zu Pferd, voran 2 “Comites”, dann ein Reiter allein, dann ein Corporal, dann acht Dragoner zur Bedeckung der Pauken, ein Pauker, Zwei Trompeter auf weißen Pferden, ein Rittmeister, ein Cornett mit der Estandart und vier Contingent-Kürassiere, ein Wachtmeister, die Compagnie, in ihren Gliedern vier Mann hoch, und ein Leutnant. Weiter Nr. 46-48: die erste Fußkompangnie, ein Corporal, zwei Fourier-Schützen, der Feldscher, drei Hautboisten (Oboisten), zwei Waldhornisten und zwei Fagottisten, der Major zu Pferd, ein Kapitän, ein Fähnrich, ein Feldwebel, zwei Tambour, dann eine Compagnie und ein Leutnant. Nr. 63-72: 2. Compagnie zu Pferd, ein Corporal mit acht Dragonern zur Bedeckung der Pauken. Nr. 100: Die zweite und letzte Compagnie zu Fuß mit allen Ober- und Unteroffizieren, mit Fahnen, Feldspiel und allem Übrigen.
Infolge der Säkularisation kam es im Jahre 1803 zur Auflösung des Klosters. Dies bedeutete natürlich auch das Ende der Salemer Garnisonen zu Mimmenhausen. Manch einer der Soldaten mag fortgezogen sein, um sich weiterhin dem Kriegshandwerk zu widmen. Andere haben den Waffenrock gegen das Kleid des Handwerkers oder Landmannes getauscht. Viele werden den harten Soldatendienst schneller vergessen haben als die Trompeten des Zapfenstreiches und der Feste. So hatte sich auch Josef Amann aus Adelsreute, ehedem Musiker im Trompeterchor der Klosterkaserne, in Mimmenhausen niedergelassen. Er erwarb die leere Kaserne und richtete dort eine Seifensiederei ein. In freien Stunden saß er mit seinen Kameraden zusammen, um zu musizieren. Die drei Söhne des nunmehrigen Seifensieders Amann hatten die väterlichen Talente geerbt und waren nicht minder musikalisch begabt.
Im Jahre 1822 wurde von ihnen die Musikkapelle Mimmenhausen als sogenannte türkische Kapelle gegründet. Das Kennzeichen für diese alttürkische Militärmusik, auch Janitscharenmusik genannt, war deren Schlaginstrumentarium bestehend aus großer und kleiner Trommel, Pauke, Becken, Tamburin, Triangel und Schellenbaum. Der älteste Sohn, Franz Xaver Amann, leitete die Musikkapelle bis 1842. Ihm folgte sein jüngerer Bruder, Konrad Amann, als Dirigent. Bis über das Jahr 1860 hinaus hielten die Brüder Amann der Kapelle die Treue und sorgten für den Fortbestand der Musiktradition. Im 92. Lebensjahr schloss der letzte Spross dieses Geschlechtes, Konrad Amann, die Augen für immer. Das war 1899. Als würdige Nachfolger erwiesen sich die Gebrüder Nell: Wilhelm, Karl, Fridolin, Reinhold und Leopold, die einen zähen, ausdauernden Stamm bildeten. Fridolin Nell (der Vater von Alfons Nell, Kaufmann Egon Nell und Bankier Ernst Nell) führte den Dirigentenstab von 1860 bis 1885. Nach dem allzu frühen Tode dieses trefflichen Mannes trat Johann Nell, Posthalter, an die Spitze der Kapelle, die er bis 1889 dirigierte. Ihm folgte in der Leitung Ferdinand Bartmann bis zum Jahre 1902. Für einen langen Zeitabschnitt von 18 Jahren (bis 1920) stand die Kapelle unter der Stabführung von Klemens Dreher. Dann wechselte der Dirigentenstab des öfteren:
Dirigenten: | Vorstände: |
1926 August Bartmann | Max Knecht (1926-1940) |
1931 Erwin Längle | Franz Matscher (bis 1946) |
1936 Albert Viellieber | Friedrich Fitz (bis 1960) |
1938 August Bartmann | Hubert Müller (bis 1963) |
1939 Bernhard Ehinger | Emil Stauß (bis 1978) |
1949 Erwin Längle | Meinrad Reiß (bis 1991) |
1955 Konrad Dettling | Prof. Dr. Ulrich Goll (bis 1995) |
1957 Hermann Männer | Ralf Jäger (bis 2005) |
1963 Leo Matscher | Roland Eichert (bis 2007) |
1966 Adolf Schweigert | Jochen Fuchs (bis 2013) |
1970 Leo Müller | Marc Klein (bis 2015) |
1974 Gustl Maurer | Matthias Schäfer (bis 2016) |
1984 Robert Fitz | Tobias Mink (bis 2018) |
1989 Brigitte Frank | Stefan Quarleiter (bis 2021) |
1991 Johanna Clavet | Felicitas Zeller, Maximilian Remmele (ab 2022) |
1995 Ralf Kretz | |
2002 Thomas Schmidhuber | |
2003 Andreas Möhrle | |
2014 Attila Buzinszki | |
seit 2021 Philipp Pfeffer |
Seit 185 Jahren trotzt die Kapelle allen Stürmen der Zeit. Schien es manchmal, als ob die Fahne sich aufzulösen drohe, immer waren welche bereit, mit viel Mühe und Einsatz wieder aufzubauen. So haben insbesondere die beiden Weltkriege unersetzliche Lücken in die Reihen der Musiker-Gemeinschaft geschlagen. Auch die politischen Wirren der 30er Jahre trugen manchen Sturm in die Reihen der Musiker. Schon nach dem ersten Weltkriege war die Kapelle so geschwächt, dass eine Auflösung unvermeidlich schien. Die Angliederung an die Feuerwehr im Jahre 1925 brachte personell einen spürbaren Aufschwung. So konnte die Kapelle 1932 ihr 110-jähriges Bestehen in großer Form begehen, verbunden mit einem Verbandsmusikfest. Es war stets das Bestreben der Musiker, an kirchlichen und weltlichen Feiern ihr Bestes zur Verschönerung des Tages zu geben.
So fand die Kapelle an besonders denkwürdigen Festen wie der Einweihung des Kriegerehrenmales 1931, das Fest zur Fertigstellung der neuen Wasserleitung 1951, die Glockenweihe 1955 u.a. ihr dankbares Publikum. Dankbar wird dies von der Gemeinde und der Bürgerschaft immer wieder anerkannt. 1959 wurde die Musikkapelle wieder ein selbständiger Verein, der 1964 ins amtliche Vereinsregister eingetragen wurde. Im Jahre 1959 stattete die Gemeinde die Kapelle mit einer neuen Uniform aus. So vertrat die Musikkapelle nun auch nach außen hin Mimmenhausen in würdiger Form. Seit dem Jahre 1957 besteht eine Freundschaft zwischen der Harmoniemusik Wald am Arlberg, die in der Vergangenheit durch gegenseitige Besuche – besonders bei Festen – dokumentiert wird. In denkbar guter Erinnerung ist noch die Jubiläumsfeier im Jahre 1962 (140 Jahre Musikkapelle Mimmenhausen, verbunden mit Fahnenweihe), die unter Vorstand Hubert Müller und Dirigent Hermann Männer bestens ausgerichtet wurde. Der Verein zählte damals 4 Ehrenmitglieder, 30 aktive und 139 passive Mitglieder. Da der Musikverein seine Tradition bis zu den Militärmusikern der Salemer Garnisonen in Mimmenhausen zurückführen kann, hat man vor 30 Jahren den alten Uniformen nachgespürt und sie auch nachgeformt. Der Fahnenträger und seine Begleiter trugen sie noch bis vor wenigen Jahren. Das 150-jährige Jubiläum wurde 1972 gebührend gefeiert.
Einen doppelten Anlass zu feiern gab es im August 1982 : 850 Jahre Mimmenhausen und 160-jähriges Bestehen der Musikkapelle Mimmenhausen.
Einen Höhepunkt in der Vereinsgeschichte bildete die Verleihung der “PRO MUSICA-Plakette” durch den Bundespräsidenten Carl Carstens. Diese hohe Auszeichnung wurde dem Musikverein Mimmenhausen im September 1984 durch Landrat Dr. Wiedmann überreicht.
Anlässlich des 2. Landesmusikfestes in Tuttlingen im Jahre 1985 nahm die Musikkapelle Mimmenhausen unter Leitung ihres Dirigenten Robert Fitz am Wertungsspiel für Seniorenorchester teil. In der Mittelstufe konnte ein 1. Rang erspielt werden. Im Frühjahr 1987 hatte die Musikkapelle Mimmenhausen die Möglichkeit mit den neun anderen Musikkapellen des Bezirkes II des Blasmusikverbandes Bodenseekreis eine Schallplatte aufzunehmen. Der Titel lautet “Blasmusikgrüße vom Bodensee”. Der Musikverein Mimmenhausen ist dort mit dem Fliegermarsch zu hören.
Es war und ist stets das Bestreben der Musiker, die Tradition des Musikvereins zu erhalten, Musik und Kameradschaft zu pflegen, die Jugendarbeit zu fördern und zum kulturellen und geselligen Leben beizutragen. 185 Jahre Mühen, Arbeit und Streben, aber auch 185 Jahre echte und fruchtbare Kameradschaft liegen hinter dem Musikverein. Möge diese Leistung uns noch sehr lange gelingen, und erhalten bleiben.
2012 feierte der Musikverein Mimmenhausen sein 190. jähriges Bestehen.
Ab dem Jahr 2014 hat der Musikverein seine Jugendarbeit neu ausgerichtet. Auf Initiative des damaligen Vorstands Marc Klein sowie des neuen Dirigenten Attila Buzinszki wurde die Bläserklasse in Kooperation mit der Grundschule Mimmenhausen ins Leben gerufen. Hier erlernen die Kinder von Klasse 1-4 unter Federführung des Musikvereins spielend die verschiedenen Instrumente und das Notenlesen.
Der Spaß am gemeinsamen Musizieren steht dabei immer im Vordergrund und soll die Kinder bis zur Aufnahme in die Reihen des Musikvereins und darüber hinaus begleiten. Wir freuen uns schon jetzt darauf, die ersten Jugendlichen bei uns begrüßen zu dürfen und beobachten gespannt ihre beeindruckenden Fortschritte.